Dienstag, 4. September 2007

Wenn nicht schießen, was dann?

Heute ist ein besonderer Tag in der Debatte um die Killer-Spiele.
Seit heute kann man das Buch »Schluss mit dem Gewalt-Tabu!« vom Pfarrer Thomas Hartmann im Laden kaufen, wie Gamestar und zuvor Golem berichten. Das Buch springt endlich auf Themen an, die unter meinen Freunden bereits seit Anbeginn der Debatte brodeln, jedoch nie zum Ausdruck bzw. zur Geltung gebracht werden konnten.
Insbesondere meine ich damit die Verantwortung der Eltern, mit Kindern über die Spiele die sie spielen zu diskutieren und dem Kind ein klares Verständnis dafür zu vermitteln, dass es sich um ein Computer-Spiel handelt und warum das so wichtig ist. Er geht natürlich noch auf viele andere Bereiche zu diesem Thema ein, dies halte ich für mich persönlich jedoch für das treffendste, da ich selbst mit meinen Eltern des öfteren ähnliche Diskussionen hatte.

Ich erinnere mich zurück an das indizierte Wolfenstein 3D, Doom 1-2 und später auch Unreal. Wolfenstein und Doom wurden damals Mitte der 90er von Id-Software programmiert, Unreal Ende der 90er von Epic-Games.
In Wolfenstein3D, eines der ersten 3D-Ballereien überhaupt, lief man durch eine sehr primitiv dargestellte Welt. Es gab ausschließlich 90° Ecken, so dass sämtliche Räume sehr steril aussahen. Sämtliche Figuren waren animierte 2D-Bilder die im Raum platziert wurden. Das Setting des Spiel gab jedoch Anlass zur Sorge, da es sich um einen großen Nazi-Bunker handelte, an dessen Wände - zumindest in der Englischen Version - Hakenkreuze und Bilder von Adolf Hitler zu finden waren.
Für meine Eltern - erlebten beide grade nichtmehr diese Zeitepoche - war das befremdent und beängstigend, schließlich könnte dies ein Zeichen zu einer möglichen Hingezogenheit zu diesem Thema bedeuten. Ich glaube ich war damals 10-12, wusste allerdings schon recht genau worum es ging und war mir außerdem bewusst, dass es nur ein Spiel sei. So versuchte ich zu vermitteln, dass ich mich in einer virtuellen Realität bewege (ja, das ist kein Scherz, wenn man mit 9 Jahren seinen ersten Rechner zerlegt und wieder zusammen gebaut hat) ich da schließlich nicht bei Freunden zuhause, sondern bei Feinden im Keller bin. So Ballerte ich munter weiter und besiegte am Ende des Spiels Hitler in einem völlig abwegigen Kampfanzug persönlich.

Seither habe ich keine Affinität für das Naziregime oder dessen Gedanken gefunden, das Gegenteil ist der Fall.

Doom hingegen war einfach nur suchen und zerstören. Zumindest, wenn man kein Enlisch lesen kann. Ich gehe bis heute davon aus, dass die Story keinen Oska verdient hätte :P
An einigen Stellen war das Spiel jedoch auch für mich zu viel, zu viel dunkel, zu viel Überraschungen, recht viel Blutdarstellung. Ich mochte das nicht so. Klar war da mal nen sehr spaßiger Abschnitt, aber alles in allem war das Spiel für mich einfach nicht interessant genug. Auch darüber haben wir gesprochen. Wenn auch nur zwischen Tür und Angel, aber auch weiterhin habe ich meinen Standpunkt vertreten genau zwischen Realität und virtueller Realität unterscheiden zu können. Meinen Eltern gefiel das Spiel weiterhin nicht, haben es mir jedoch auch nicht verboten.
Interessanterweise war dies eine äußerst hinterhältige Strategie, da mir das Bewusstsein des nichtakzeptierens meiner Eltern auf dauer zu schaffen gemacht hat, so dass mir das Spiel mitunter auch wegen meinem schlechten Gewissen meiner Eltern gegenüber immer weniger Spaß gemacht hat, so dass ich es nie zuende gespielt habe...

Unreal war ein neuer Schritt. Mittlerweile war ich zwischen 15 und 16 Jahren (grob geschätzt) und las Computerspielezeitungen. Unreal war schon sehr früh auf der Liste der zu spielenden Titel, da ich unglaubliches Interesse für die neue Grafiktechnologie hatte und soeben einen 3dfx Voodoo1 Grafikbeschleuniger mein Eigen nennen konnte.
Das Spiel selbst war story-technisch noch nicht so richtig interessant, da für die Englische Version mir leider noch der Spaß am Englisch fehlte und ich somit die verteilten Tagebucheinträge der "herumliegenden Leichen" selten las. Vielmehr nahm ich mir an besonders schönen Stellen Zeit mir die spektakuläre Grafik anzuschauen. Stellen wie der große Wasserfall im ersten Level, oder die Wasserdarstellung mit Echtzeiteffekten auf der Oberfläche waren bis zu diesem Zeitpunkt noch nie da gewesen und lösten eine ungeheure Begeisterung aus. Das Spiel sorgte an anderen Stellen mit Schockmomenten wie beispielsweise aus den Filmen Alien 1 und 2 bekannt für Stimmung und Gänsehaut. An ausgesuchten Orten konnte man aus dem Hintergrund ängstliche Schreie aus Zimmern hören, die mich nicht selten zum stehenbleiben und überdenken meiner Handlung bewegten (geh ich weiter und sterbe, oder speicher ich erstmal und mache Pause....)
Auch Unreal hat mir in meiner Entwicklung jedoch dennoch nicht geschadet. Eher das Gegenteil ist der Fall. Nach einiger Zeit entdeckte ich meine Begeisterung selbst im Spielebereich kreativ tätig zu werden, so dass ich den bei Unreal beiliegenden Leveleditor zur Hand nahm und meine ersten Gehversuche damit unternahm. Bald wurde klar, dass die Anzahl an Buttons und Tastaturkommandos für einen Hilflosen 16 Jährigen doch ein wenig zu viel war, so dass ich begann nach Anleitungen im noch recht neuen Internet zu suchen. Zu meinem Erstaunen gab es recht viele, allerdings einfache und zudem nur Englische Tutorials. Ich quälte mich also durch die Texte und lernte so enorm schnell mehr oder weniger umgangssprachliches Englisch, da sämtliche Anleitungen von Privatpersonen, überwiegend aus den USA stammten.
Als ich eingermaßen mit dem Editor umgehen konnte, eröffnete ich aus diesem Grund eine eigene Tutorialseite komplett auf Deutsch
im Internet, um auch den deutschen die Möglichkeit zu geben mit dem Editor zu arbeiten, wenn man kein Englisch beherscht. Mit über 30 Tutorials zu allen möglichen UnrealEditorbezogenen Themen steckte eine sehr große Menge Arbeit in dem dreijährigen Projekt zu dem viel Organisation und Ausdauer gehörte, da zum gleichen Zeitpunkt weitere deutsche Seiten auf den Markt drängten.

Mit diesem Langen Eintrag ist hoffentlich meine Erfahrung mit dem Spielen solcher Spiele klar geworden. Ich habe oft mit meinen Eltern darüber gesprochen, die mich nicht selten dazu anhielten genau über meine Entscheidung solche Spiele zu spielen nachzudenken. Das tat ich, wenn auch zunächst mit ein wenig Widerwillen. Jedoch führte dies zu meiner Lust selbst kreativ tätig zu werden statt einfach nur zu konsumieren. Auch dieser Prozess ist eine Art des Auslebens von Agressionen und Angstbekämpfung. Ich war durch den UnrealEditor in der Lage kleine Weltausschnitte zu erschaffen in denen Elemente vorkamen die mir selbst ebenfalls Angst machten. Durch das erstellen und anschließende Testen (Spielen) der Level konnte ich so entsprechende Angste durchleben, allerdings mit dem Wissen genau die nächsten Schritte zu kennen die zum Lösen des Problems oder des Rätzels notwendig waren.
Auf diese Weite erweiterte ich ebenfalls meine Soziale Intelligenz, da ich vorraussehen musste, was der Spieler im nächsten Augenblick tut, um ihn entsprechend überraschen zu können, oder ins Staunen zu versetzen.

Unreal war nicht das letzte Spiel für das ich Maps erstellte, da meine erworbenen Erfahrungen leicht auf andere Spiele übertragbar waren. Später begann ich Spiele zu entwickeln und eigene Programme zu schreiben.
Heute ist analytisches Vorgehen und Planung der nächsten Schritte eine sehr positive Angewohnheit von mir, die ich meiner Meinung nach nicht so ausgeprägt haben hätte können, hätte ich damals nicht diese Spiele gespielt und auch mit meinen Eltern darüber diskutiert oder ihnen von meinen neusten Kreationen erzählt.

Keine Kommentare: